Offshore das Fundament der Energiewende
windenergie agentur

Die Genehmigungserfolge diverser Windparkprojekte in der Bundesrepublik waren in den letzten Monaten bei Standorten an Land nicht sehr erfolgreich. Dies ist auch im sogenannten Nimby (not in my backyard)-Phänomen begründet, das sich immer mehr durch die stetig sinkende Akzeptanz von neuen Windparkstandorten in der Nähe besiedelter Flächen zeigt. Prominente Industrievertreter sprechen in diesem Kontext bereits vom Trend der „De-industrialisierung“ in Deutschland, die mit den entsprechenden Gefahren für wirtschaftliche Entwicklung und soziale Stabilität verbunden ist. Im Vergleich hierzu ist die Genehmigungssituation für Offshore-Windkraftwerkstandorte überschaubar und mit einer deutlich höheren Akzeptanz unter der Bevölkerung verbunden.

Die Offshore-Windenergie gilt zwar in der öffentlichen Diskussion als Hauptverursacher eines umfangreichen Netzausbaus an Land, ohne die Energiewende und somit ohne die Offshore-Windenergie würden jedoch in Norddeutschland weitere klimaschädliche Kohle- und Gaskraftwerke gebaut. Das zeigen die bisherigen Planungen, Kohle- und Gaskraftwerke mit einer Leistung von bis zu 15 Gigawatt in Norddeutschland zu errichten. Die Energieerzeugung der Zukunft würde sich demzufolge ohnehin an die Küste verlagern, da zukünftig nicht mehr wie in der Vergangenheit der Strom dort erzeugt wird, wo die Lagerstätten der Rohstoffe sind (wie etwa Steinkohle im Ruhrgebiet). Stattdessen werden die Kraftwerke mittlerweile mit Importkohle befeuert, die unter anderem aus China, Australien, Südafrika und Südamerika kommt. Diese wird mit großen Transportschiffen herbeigeschafft, an der Küste gelöscht und in den norddeutschen Kraftwerken verstromt. Auch für diese Strommengen müsste es entsprechend Stromleitungen von der Küste ins Binnenland zu den Industrie- und Ballungszentren geben. Fakt ist also, dass für die bisher geplanten Kohle- und Gaskraftwerke ebenfalls neue Trassen gebaut werden müssten, denn in jedem Energieszenario geht es um die Anpassung der Netze an die aktuellen technischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten.

Unabhängig von allen energiepolitischen Entscheidungen ist es notwendig, das Stromnetz an die sich verändernden Bedürfnisse anzupassen. So wurde früher die Kohle im Ruhrgebiet gefördert, dort auch in vielen Kraftwerken verbrannt, wo die Industrie viel Strom abnahm, um unter anderem Stahl zu erzeugen. Das ist heute anders, beispielsweise wird Kohle überwiegend importiert, das heißt die Kraftwerksplanungen, die viele Kohlekraftwerke an der Küste vorsahen, waren nach dieser Logik konsequent und hätten im Übrigen auch nicht bei den Hauptabnehmern gestanden. Wir haben durch die deutsche Vereinigung immer noch ein neues Stromnetz aufzubauen, wir haben neue Netzanschlüsse und verbindungen in Europa zu organisieren etc. Diese Aufgaben sind unabhängig von der Entscheidung, aus der Atomkraft 2022 endgültig auszusteigen, zu bewältigen.

Der Offshore-Windenergie können daher im Wesentlichen nur die Kosten der Netze auf See und ihres Anschlusses an Land zu hundert Prozent zugerechnet werden.

Richtig ist aber auch, dass die erneuerbaren Energien die Netze und das Netzmanagement mit neuen Um- und Ausbaunotwendigkeiten vor neue Herausforderungen stellen.

Wichtig in dieser Diskussion ist, vor allem eine differenzierte Sichtweise einzunehmen: Auf der einen Seite macht die Kombination von zentraler und dezentraler erneuerbarer Energieerzeugung und Energieversorgung den Ausbau von Hochspannungstrassen (für Onshore- und Offshore- Windstrom aus dem Norden für die Verbrauchszentren im Süden und Westen) notwendig. Auf der anderen Seite besteht gleichzeitig die Notwendigkeit für den Ausbau der Verteilernetze, weil sich mittlerweile die Ansprüche stark verändert haben. Dafür gibt es mehrere Gründe:

1. die dezentrale Erzeugung durch die Solar- und Biomasseanlagen,

2. die einzeln stehenden Windenergieanlagen an Land, 3.

der flexible Stromverbrauch der Konsumenten sowie 4.die sogenannten „Prosumers“ (zusammengesetzt aus den Begriffen Produzenten und Konsumenten), also Haushalte, die zwischen Konsum/Verbrauch und Produktion/Einspeisung des Stroms wechseln, weil sie beispielsweise eine PV-Anlage auf dem Dach haben.

Neben dem Ob ist auch das Wie des Netzausbaus entscheidend: Neue Stromtrassen werden mit Beteiligung der Bürger und mit Rücksicht auf das Landschaftsbild geplant. Die Bundesregierung muss die Genehmigungsverfahren von Stromtrassen trotz dieses notwendigen Beteiligungsprozesses beschleunigen und hier entsprechende Gesetze erlassen. Dabei ist es wichtig, das Netz zunächst möglichst zu optimieren (zum Beispiel mit Temperatur-Monitoring), bevor es verstärkt und ausgebaut wird. Dies umfasst vor allem die Prüfung frei werdender Netzkapazitäten durch die geplante Abschaltung der Atomkraftwerke und weiterer konventioneller Kraftwerke sowie die Prüfung, ob das bestehende Netz zusätzliche Stromeinspeisungen aufnehmen kann.

Fest steht auch: Vom Zustand einer sogenannten und erstrebenswerten „Kupferplatte“, also einem optimalen Stromnetz, sind wir in Deutschland weit entfernt. Diese Herausforderung und das Bestreben, in Europa ein einheitliches Stromnetz zu schaffen, sind zudem vollkommen unabhängig von einer spezifischen Technologie der Energieerzeugung zu betrachten.

Ein europäisches Offshore-Netz in der Nordsee kann in diesem Zusammenhang eine Vorreiterrolle einnehmen, auch weil die Offshore-Windenergie von ihrem Charakter her eine europäische Branche ist.

Eine regionale „autarke Stromversorgung“ ist – zumal auf Bundesländerebene –höchstens rein rechnerisch für den Jahresverbrauch möglich, nicht aber für die Deckung des Strombedarfs zu jeder Sekunde. Schon der praktische Versuch würde hohe Kosten verursachen, weil auch hochgradig unwirtschaftliche Standorte genutzt werden müssten.

Bei all der Diskussion um den Netzausbau gilt: Die Energiewende kommt genauso wie der Netzausbau nicht über Nacht. Vielmehr handelt es sich um einen fließenden Prozess. Und eben diese Tatsache macht die Anpassungshergänge für die Bürger weniger dramatisch, als in der Öffentlichkeit häufig dargestellt wird.

Der Strom muss so erzeugt werden, dass die erneuerbaren Energien zu jeder Zeit den gesamten Strombedarf in Deutschland decken können. Der notwendige Netzausbau ist, verglichen mit hochgradig klimaschädlichen Kohlekraftwerken und risikoreichen Atomkraftwerken, ein geringer Eingriff für Mensch und Umwelt.

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